Gegen Einzelhaltung

In den Köpfen vieler Menschen ist der Glaube fest manifestiert das nur ein einzelner Wellensittich wirkich "zahm" wird. Sicherlich sind viele einzelnd gehaltene Wellensittiche sehr zahm, aber es gibt ebens so viele die es nicht sind. Man sollte sich aber im Vorwege einmal fragen warum das Tier so zahm ist. Sicher nicht weil es sich freiwillig den Menschen angeschlossen hat. Wellensittiche sind und bleiben Schwarmtiere, der Mensch wird aus reiner Verzweiflung heraus zum Ersatzpartner auserkoren...auch wenn sich manch ein Halter andere Gründe wie Liebe, Freundschaft und Co einbilden möchte.

 

Wer einmal einen Wellensittichschwarm bzw. eine Gruppe von Wellensittichen beobachten konnte, und sei es nur in der Zoohandlung oder beim Züchter, wird gesehen haben wie intensiv ihre Beziehung zu Artgenossen ist. Normalerweise sind es wenn überhaupt lediglich kranke Wellis die abseits der Gruppe sitzen. Das wohl schlimmste was man einem Schwarmtier antun kann ist es, ihn sein Dasein in Einzelhaft fristen zu lassen. Es ist reiner menschlicher Egoismus ein Tier allein zu halten. Sicher ist es schön ein zutrauliches Tier zu haben, doch nicht um jeden Preis. Auch mehrere Wellensittiche werden zahm, wenngleich ich den Begriff zahm nicht besonders gerne verwende, zutraulich trifft es meiner Meinung nach besser. Und wie es eben auch bei uns Menschen untereinander ist, so muss man sich eben dieses Vertrauen auch bei den kleinen Zwergen erarbeiten. Von Natur aus sind Wellensittiche Fluchttiere, das sie nicht sofort reißaus nehmen liegt daran wie intensiv wir uns um ihr Vertrauen bemühen und am jeweiligen Charakter des Tieres selber.

 

3/4 meiner Wellis sind zutraulich, was aber nicht heißt das sie sich sofort auf mich stürzen sobald ich das Zimmer betrete ;-) Sie kommen von sich aus, um Leckereien zu erhaschen, auf mir herumzuklettern, mit meiner Hand zu spielen oder um mir eine Frikadelle ans Ohr zu quatschen *lach* und alles ganz freiwillig. Denn brauchen tun sie mich als Kameraden ganz sicher nicht, sie haben ja ihre Artgenossen. Und eben dieser freiwillige Kontakt zu mir ist es, den ich ganz besonders zu schätzen weiß. Mein erster Wellensittich Picolo hat auch immer sehr an mir geklebt, aber nicht weil er mich so abgöttisch geliebt hat, sondern weil ich ihn lange allein gehalten habe. Ich habe heute noch ein schrecklich schlechtes Gewissen wenn ich daran denke wie er tagsüber ganz allein in seinem Käfig sitzen und warten musste bis ich wieder heim kam und Zeit für ihn hatte. Es zerreißt mir das Herz darüber nachzudenken. Nur ein Artgenosse ist 24 Stunden am Tag an seiner Seite, versteht seine Sprache, hat die richtigen Kraultechniken drauf und vermittelt dem Tier ein Gefühl von Sicherheit. Unabhängig davon wie intensiv man sich auch um seinen Wellensittich kümmern mag, einen Artgenossen kann man nicht ersetzen, niemals.

 

Manch ein Welli wird auch nie zutraulich, zumindest nicht in dem Sinne was wir Menschen darunter verstehen. Sicher kann es an schlechten Erfahrungen liegen, die das Tier im Laufe seines Lebens mit Menschen gemacht hat, doch ebenso kann es daran liegen, das sie einfach kein Interesse am Menschen haben und sich eben wie ein ganz normaler Wellensittich verhalten. Dies sollte man dann auch wirklich akzeptieren und nicht auf Biegen und Brechen, womöglich sogar noch mit Futterentzug eine "Zähmung" erzwingen... auch wenn solche Methoden von einigen Züchtern empfohlen werden. Seien wir mal ehrlich wie soll denn so Vertrauen aufgebaut werden? Zudem kann dies auch wirklich schwere gesundheitsschädigende Auswirkungen haben.

 

Einzelhaltung kann viele Folgen haben wie Federrupfen, Spiegelfütterung (mit daraus resultierender Kropfentzündung), Übersprungshandlungen, aggresives Verhalten, sexuelle Frustration, da der Mensch sich als Partner dafür ja schlecht eignet, sowie eine große Palette weiterer Verhaltensstörungen die man auf speziellen Seiten nachlesen kann. Es ist so schön die Wellensittiche in ihrem Umgang miteinander zu beobachten, wie Freundschaften und Partnerschaften entstehen, wie Schabernack getrieben wird, wie sie schmusen und sich gegenseitig füttern. Ihr Verhalten im Schwarm ist so mannigfaltig, da gibt es täglich Neues zu beobachten und dann auch noch selber mit einbezogen zu werden ist einfach das schönste Geschenk überhaupt, was einem diese kleinen Zwerge machen können.

Mal ganz ehrlich, sprechen solche Bilder nicht für sich? Da muss man doch einfach wachgerüttelt werden und einsehen das diese kleinen Wesen nicht in Einzelhaltung gehören. Wer als Halter eines Einzeltieres hier nicht ins Grübeln kommt, dem ist nicht mehr zu helfen und er/sie und besonders der arme Welli tun mir schrecklich leid... Immer wieder bekomme ich Anfragen bezüglich eines Wellensittichs, die ich entweder nicht beantworte oder mir die Finger wund schreibe in der Hoffnung die Einstellung der betreffenden Person zu ändern, i.d.R. ohne Erfolg. Entweder bekomme ich garkeine Antwort mehr oder es kommen Aussagen wie: "Aber ich bin den ganzen Tag Daheim..." oder "Aber früher hatten wir immer nur einen Wellensittich". Jajajajaja früher hatten wir auch einen Kaiser, heut aber nicht mehr liebe Leute und geschichtlich betrachtet war nicht alles, was früher als normal galt auch in Ordnung...